Interview mit Michael Wahl

Michael Wahl ist Leiter der BFIT-Bund, der Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik, und Projektpartner von #LeichtOnline. Im Gegensatz zu anderen Projektpartner:innen vertritt er nicht die Perspektive der Seitenanbietenden, sondern bringt seine Expertise für die Gesetzgebung zu digitaler Barrierefreiheit ins Projekt ein.

Herr Wahl, vielen Menschen, die keine Berührungspunkte zum Thema digitale Barrierefreiheit haben, ist die BFIT-Bund kein Begriff. Was sind kurz zusammengefasst die wichtigsten Aufgaben der BFIT-Bund?

Michael Wahl sitzt in einem schwarzen Anzug mit überschlagenen Beinen auf einem roten Sessel

Wir kümmern uns gemeinsam mit anderen Überwachungsstellen und auch Kompetenzzentren der Länder sowie der Bundesfachstelle für Barrierefreiheit darum, dass die digitale Barrierefreiheit in Deutschland weiter und besser umgesetzt wird. Dafür prüfen und beraten wir die öffentlichen Stellen des Bundes. Wir arbeiten mit den 16 Überwachungsstellen der Bundesländer zusammen und berichten alle drei Jahre über den Fortschritt der digitalen Barrierefreiheit in Deutschland an die Europäische Kommission. In unserem Ausschuss für barrierefreie Informationstechnik entwickeln wir gemeinsam mit Expertinnen und Experten die digitale Barrierefreiheit weiter.

Welchen Handlungsbedarf sehen Sie in Bezug auf die rechtlichen Rahmenbedingungen digitaler Barrierefreiheit für die Zielgruppe Menschen mit geistiger Behinderung? Und was sind Ihrer Meinung nach die größten Hindernisse bei der Umsetzung?

In Deutschland haben wir mit dem § 4 der BITV bereits erste Regelungen zum Einsatz der Leichten Sprache. Das ist in Europa eine Vorreiterrolle und ich würde es gut finden, wenn wir diese weiter ausbauen. Der Bereich des verpflichtenden Einsatzes von Leichter Sprache in der digitalen Welt ist wichtig, und ich wünsche mir, dass die technischen Entwicklungen, die sich nun auch durch die generative künstliche Intelligenz abzeichnen, zum Einsatz kommen und dann zum digitalen Standard auch in Gesetzen gehören. Weiterhin gibt es den Bedarf nach Standardisierungen, wie man Leichte Sprache in der digitalen Welt umsetzen soll. Mit der anstehenden Fortschreibung der BITV hoffe ich, dass die bisher in der Anlage 2 der BITV festgelegten Bestimmungen zur Leichten Sprache aktualisiert werden. Über die Leichte Sprache hinaus ist der Zugang und die Art, wie Menschen mit Lernschwierigkeiten das Netz nutzen, bedienen und verstehen aber genauso wichtig. Die Nutzenden von Beginn an einzubeziehen und somit Usability – also Nutzerfreundlichkeit – für alle zu schaffen ist ein sehr wichtiger Punkt für die Zukunft.

Warum haben Sie sich dazu entschieden, im Projekt #LeichtOnline mitzumachen?

Das Projekt ist so angelegt, dass der Zugang und die Nutzergewohnheiten, die Hürden und die Lösungen für Menschen mit Lernschwierigkeiten in der digitalen Welt erforscht werden. Dabei gefallen mir der Einbezug der Zielgruppe und die strukturierte Vorgehensweise sowie die Zielstellung, Usertypen oder Personas zu entwickeln. Das ist der Weg, wie man Use-Cases der digitalen Barrierefreiheit aufbauen und verstehen lernen kann. Ich kann hier eine Menge für unsere Arbeit als BFIT-Bund mitnehmen. Daher freut es mich, dabei zu sein.

Welche Erkenntnisse haben Sie bereits aus dieser Kooperation gewonnen?

Ich konnte bisher erkennen, dass die Nutzung von digitalen Angeboten durch Menschen mit Lernschwierigkeiten so vielfältig ist wie die Nutzung durch andere Zielgruppen. Ganz besonders freut mich, dass die User ganz spezifische und kreative Lösungen entwickeln, um an ihr Ziel zu kommen. Das motiviert mich sehr, wenn ich sehe, wie geschickt und einfallsreich die Tester im Projekt mit der digitalen Welt umgehen. Gleichzeitig ist mir bewusst geworden, dass auch die Hürden oder Barrieren für die Tester sehr hoch sind. Vieles davon basiert auch auf mangelnder Erfahrung oder auf Ängsten der Menschen, etwas falsch zu machen. Da geht es gar nicht um technische Dinge, sondern eher darum, dass man zum Beispiel irgendein Abo eingeht und dann Ärger bekommen könnte. Dabei ist die digitale Welt für die Tester so wichtig und da unsere Welt immer digitaler wird, müssen wir die Menschen mit Lernschwierigkeiten im Netz halten oder weiter dort hinführen. Denn so kann mehr Teilhabe entstehen und der Ausgrenzung vorgebeugt werden.

Mit Blick in die Zukunft: Welche Ziele möchten Sie gemeinsam mit #LeichtOnline erreichen?

Die Macher des Netzes – Entwickler, Webdesigner, App-Programmierer – für die Zielgruppe weiter sensibilisieren. Die Größe und die Chancen für ein Web für alle an die politischen Entscheider transportieren helfen und ganz besonders den Mehrwert eines verständlichen und userfreundlichen digitalen Deutschlands für alle immer wieder unter Beweis stellen. Denn das Projekt kann das leisten und das möchte ich gerne unterstützen.